Österreich: Monitoring von Naturgefahren und Bewegungsanalysen im Sport mithilfe innovativer Sensorsysteme

vonOTS
DEZEMBER 18, 2025

Foto: Thomas Fazokas

Foto: MUL/Tauderer

Foto: Thomas Fazokas

Forscher*innen am Lehrstuhl für Automation und Messtechnik an der Montanuniversität Leoben arbeiten an verteilten und vernetzten Sensorsystemen: Mit dieser Technologie können beispielsweise erste Anzeichen für Rutschungen und Murenabgängen in erosionsgefährdeten, meist ländlichen Bereichen überwacht werden. Durch die Integration von Sensoreinheiten in Schutzbauten wie Steinschlagnetzen lässt sich deren Zustand kontinuierlich überwachen, wodurch frühzeitig vor vermehrten Steinschlagereignissen und Murenabgängen gewarnt werden kann. Die neuartigen Sensor-Systeme können im Sinne des Gefahrenschutzes aber auch in Staumauern, an Brücken oder Gebäuden zur Anwendung kommen. Eine andere Anwendung der entwickelten Technologie ist der Sport: Bewegungssensoren können hier Performance-Daten von Sportlern etwa während des Schwimmens aufzeichnen, analysieren und auswerten.

Der Lehrstuhl für Automation und Messtechnik an der Montanuniversität Leoben konzentriert sich auf die drei Forschungsschwerpunkte Sensor-Systeme, optische Messtechnik sowie Automatisierung und Robotik. Übergeordnet über all diese Themenbereiche beschäftigen sich die Leobener Forscher*innen mit vielfältigen Themen der Digitalisierung.

Angesprochen darauf, welche Projekte aktuell große Zukunftsrelevanz besitzen, gibt Univ.-Prof. Thomas Thurner, Leiter des Lehrstuhls, einen Einblick: „Eine der aktuell spannendsten Forschungsrichtungen bei uns sind wohl verteilte, vernetzte Sensorsysteme. Diese können an bestimmten Positionen von großen oder verteilten industriellen Anlagen, in Infrastruktur wie z. B. Gebäuden oder aber auch in der Natur platziert werden, etwa als Teil von Schutzbauten wie Steinschlagnetze. Beschleunigungssensoren und Neigungssensoren nehmen in diesem Fall an unterschiedlichen Positionen Daten auf, analysieren diese, und senden die relevanten Informationen über eine drahtlose Anbindung in eine übergeordnete Datencloud. Dort werden die übertragenen Daten gesammelt, verarbeitet und analysiert, um etwa ein permanentes Last- und Bewegungsmonitoring durchzuführen.“

„Das noch im erfolgreichen Versuchsstadium befindliche System soll schon bald reale Szenarien überwachen“, erklärt Thurner, „wie z. B. ob es durch eine Lawine oder einer Mure einen Impact gegeben hat, ob die Schutzverbauung noch intakt ist, und ob bzw. wie viel Material in einem Steinschlagnetz liegt.“ Ein wesentlicher Fokus der Entwicklungsarbeiten wird darauf gelegt, sehr kostengünstige und möglichst energieautarke Sensor-Systemen zu entwickeln. „Nur so können wir für Gemeinden und für BürgerInnen interessante Lösungen schaffen, um eine großflächige Überwachung und Schutzwirkung durch eine Frühwarnung sicher zu stellen“, erklärt Thurner.

Physische Prototypen fürs Feld

Die Wissenschaftler*innen erforschen nicht nur neue Technologien und Methoden, sondern bauen damit reale, physische Prototypen, die sie „im Feld“ ausprobieren – das reicht von einzelnen Teilkomponenten bis hin zu kompletten, neuartigen, und autonomen Sensorsystemen. Thurner: „Bei der Entwicklung derartiger Systeme stellen wir uns die Fragen: Wie konzipiere ich derartige Systeme, sodass sie perfekt in der Anwendung funktionieren? Welche Sensoren und Auswertungsalgorithmen werden benötigt? Wie baue ich diese autonom funktionierend und energieautark, so dass sie automatisch und ohne regelmäßiges Zutun wie einen ständigen Batterietausch funktionieren? Wir integrieren Entwicklungsprototypen in realen Szenarien beispielsweise in der Natur oder Industrie, um damit gleich das Systemverhalten und die erreichbare Messleistung unter Realbedingungen zu evaluieren und iterativ durch Weiterentwicklungen zu optimieren. Denn für uns ist es wichtig, dass wir mit unserer Forschung für die Gesellschaft oder Industrie relevante Probleme lösen", so der Forscher.

Internet of Things

Eine Herausforderung ist die Interkonnektivität solcher Systeme mit verteilten und vernetzten Sensorknoten zu einem sogenannten Sensor IoTSensor Internet of Things. „Um die verschiedenen Sensoren miteinander zu verbinden, nutzen wir verstärkt das recht neue LoRa-Netzwerk“, verrät Thurner. Dabei handelt es sich um ein „Long Range Wide Area Network“, das von der Non-Profit Organisation LoRa Alliance definiert und vorangetrieben wird. Wie der Name schon sagt, verbindet das Netzwerk über eine offene, cloudbasierte Protokoll-Technologie nahezu beliebig viele Module weitläufig sogar über mehrere Kilometer hinweg miteinander. Im Gegensatz zu anderen Funktechnologien wie z. B. WLAN oder Mobilfunk ist der Energieaufwand dabei sehr gering. Die hohe Funkreichweite und Energieeffizienz sind von Vorteil, wenn man z. B. großflächige Gebiete in puncto Gefahrenschutz überwachen möchte. Dabei können Messgrößen wie Klima (Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchte), Bewegung und Vibration (Beschleunigung, Rotation), Lage (Inklination, Erdmagnetfeld), Position (GPS, IoT-Netz, Relativ-Distanzen über Triangulation) sowie Akustik und Schall (Luftschall und Körperschall) erfasst und analysiert werden. Die IOT-Sensor-Systeme sind ebenso in der Lage, auch komplexere Sensoren wie Infrarotkameras, 2D-Bildsensoren als auch 3D Sensorik, Radar und Mikrophon-Arrays in Systeme für Überwachungsaufgaben aufzunehmen. Dafür ist jedoch eine aufwändige Datenverarbeitung und Analyse im lokalen Sensorknoten unerlässlich, um die zu übertragende Datenmenge zu minimieren.

Kostengünstige Gesamtsysteme für Gefahrenregionen

Kombiniert man die aktuelle Drahtlos-Technologie außerdem mit moderner Sensor-Technologie wie der halbleiterbasierten Mikrosensorik, ergeben sich spannende Möglichkeiten: Mikromesssysteme etwa auf MEMS-Basis (Mikro-elektro-mechanische Systeme) kosten wenig, benötigen für den Betrieb geringe Mengen an Energie, liefern aber gleichzeitig eine enorme Messperformance. Da man sie in kleine, autonome Einheiten als intelligente Sensorknoten integrieren und diese wiederum zu großen, komplexen Systemen zusammenschließen kann, erhält man ein mächtiges Messsystem, das beispielsweise maßgeschneidert für das Monitoring von Gefahrensituationen im naturnahen Umfeld ist. „Im Zuge unserer Forschung betrachten wir die gesamte Mess- und Analysekette, von der sensorischen Erfassung über die lokale Signalverarbeitung, die drahtlose Vernetzung mit Weitergabe der Daten an ein übergeordnetes Cloud-System, sowie die serverbasierte Datenanalyse auf oberster Ebene des Gesamtsystems. Die Entwicklungskompetenz über alle wesentlichen Komponenten bis hin zum gesamten Sensorsystem ermöglicht uns dabei die Realisierung von optimierten Sensorlösungen, und liefert uns ein tiefgehendes Verständnis für die erfassten Daten und deren Interpretation“, erklärt Thurner.

Weitere Branchen, für welche Sensor IoT interessant sein können, sind die industrielle Automation, die Robotik sowie der Transport- und Gesundheitssektor.

Sparsame Energieversorgung und Ortsunabhängigkeit

Ein wichtiger Aspekt bei autonomen verteilten Sensorsystemen ist in den meisten Fällen deren Energieversorgung, da diese Systeme sehr oft kabellos mit Batterien oder im Akkubetrieb – und somit sehr energiesparend ohne externe Energiezufuhr – arbeiten müssen. Hier kommt das Schlüsselwort Energy Harvesting ins Spiel. Thurner: „Wo kann man Energie aus der Umgebung des Sensorknotens anzapfen? Sonnenenergie zum Beispiel über Solarzellen ist wohl am einfachsten, geht aber nicht immer, etwa bei der Integration von verteilten Sensorsystemen im Berg- und Tunnelbau, wo wir ebenso derartige Sensortechnologien integrieren. Deshalb stellen wir Überlegungen an, wie man zum Beispiel aus vorhandener Bewegung, Vibration oder Wärme – eigentlich aus einer Temperaturdifferenz – Energie zum Betreiben der Sensorknoten herausholen kann, sodass im besten Fall so ein Sensorknoten ohne Batteriewechsel oder manuelles Laden und bei jedem Wetter über viele Monate und Jahre autonom funktioniert."

Ein weiterer Vorteil dieser Messsysteme ist, dass sie wirtschaftlich günstig hergestellt werden können. Thurner rechnet vor: „Ein Gesamtsystem zur Überwachung von Hangrutschungen mit mehreren Sensorknoten würde nur wenige hundert Euro kosten. Mitunter ein Grund, dass Gemeinden, die von Hangrutschungen bedroht sind, sich eine Anschaffung ohne weiteres überlegen können. Damit könnten viele derartige Systeme kostengünstig installiert und betrieben werden um rechtzeitig solche Gefahrensituation zu erkennen. Unsere Technologie könnte dadurch entscheidend mithelfen, dass im Fall von derartigen Naturkatastrophen möglichst keine Personen zu Schaden kommen sowie die unter Umständen enormen Sachschäden deutlich reduziert oder gar vermieden werden können.“

Sensoren für den Sport und die Gesundheitsdiagnostik

Thomas Thurner stellt noch ein weiteres Gebiet vor, in dem Bewegungssensoren in kleinen, leichten, drahtlosen Sensoreinheiten zum Tragen kommen – im Sport: „In einem aktuellen Forschungsprojekt bauen wir IoT-basierte Schwimmsensorik, um die Schwimmbewegungen mit smarten Schwimm-Paddles präzise zu

tracken. Wir messen dabei Bewegungsabläufe und erfassen die Kraft, die ein Schwimmer ins Wasser bringt.

Diese Performance-Daten kann man über eine Smartphone App verfügbar machen und im Detail auch bereits während einer Trainingseinheit analysieren. Somit kann der korrekte Bewegungsablauf und damit die Leistungsfähigkeit sowie der Trainingsfortschritt als Leistungskurve überwacht werden. Das könnte nicht nur für Profiathleten interessant sein, sondern – nachdem die Technologie sehr kostengünstig ist – auch für ambitionierte Hobbysportler."


Quelle: OTS

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