vonOTS
MAI 20, 2025
Foto: FOPI/APA-Fotoservice/Hörmandinger
Bilanz von AGES und FOPI zeigt Licht und Schatten in Medikamentenentwicklung
Rekordinvestitionen in Forschung & Entwicklung haben ermöglicht, dass in den letzten zehn Jahren rund 400 innovative Therapien in Europa zugelassen und für die Patient:innen verfügbar gemacht werden konnten. Auch 2024 kamen 38 Arzneimittel mit einem komplett neuen Wirkstoff auf den Markt – darunter ein Brustkrebs-Medikament, das bei Therapieresistenzen neue Optionen eröffnet, und ein neues Kombinations-Antibiotikum für schwere und lebensbedrohliche Infektionen, das bestehende Resistenzen umgehen kann. Markant sinkende Zahlen bei klinischen Studien geben aber Anlass zu Sorge und signalisieren, dass die Forschung in Europa bzw. Österreich unter Druck gerät. – Ein Bericht der Medizinmarktaufsicht der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI).
Rund 50 Mrd. Euro investiert die Pharmaindustrie in Europa in Forschung & Entwicklung. Das entspricht einer F&E-Quote von 12,9 Prozent und weist die Pharmaindustrie als mit Abstand forschungsintensivste Branche aller Technologiesektoren aus – deutlich vor der IT und der Auto- oder der Luftfahrtindustrie. Betrachtet man die weltweit 15 größten Pharmaunternehmen liegt die F&E-Quote mit 25,2 Prozent sogar noch höher.
Das hat – trotz eines schwierigen Umfelds – möglich gemacht, dass in den letzten zehn Jahren rund 400 Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff in Europa und damit auch für Österreich zugelassen werden konnten. Im letzten Jahr kamen 38 innovative Medikamente auf den Markt. „Besonders bemerkenswert ist darunter z.B. auch ein neuer Brustkrebs-Wirkstoff, der bei häufig auftretenden Brustkrebs-Formen zum Einsatz kommt, wenn gängige Therapien nicht mehr anschlagen“, erklärt DI Dr. Günter Waxenecker, Leiter des Geschäftsfelds Medizinmarktaufsicht in der AGES. „Aber auch ein neues Kombinations-Antibiotikum für schwere und lebensbedrohliche Infektionen, das bestehende Resistenzen teilweise umgehen kann, stellt einen wichtigen Meilenstein dar.“
„So beeindruckend jede einzelne dieser neuen zugelassenen Therapien ist, wissen wir gleichzeitig, dass Arzneimittelforschung kein ‚Selbstläufer‘ ist. Zahlreiche Projekte scheitern im Lauf des langen Entwicklungs- und Forschungsprozesses bis zur Zulassung, manche sogar erst im späten Stadium einer klinischen Studie. Umso bedeutsamer sind daher all jene Therapien, die den langwierigen – aber im Sinne der Sicherheit der Patient:innen notwendigen – Prozess meistern, nach sorgfältiger Prüfung die Zulassung schaffen und als Innovationen den Patient:innen zur Verfügung stehen“, betont Waxenecker.
„Für diese so dringend nötige Arzneimittelforschung braucht es aber die richtigen Rahmenbedingungen“, schließt Dr. Leif E. Moll, MBA, Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI), an. „Aktuelle Statistiken zeigen, dass die Zahl der klinischen Studien in ganz Europa rückläufig und auch in Österreich mit einem Minus von mehr als 10 Prozent bemerkbar ist. Parallel dazu wurde und wird in den USA und in China massiv in klinische Forschung investiert.“
„Das muss uns zu denken geben, denn Patient:innen profitieren nicht erst von zugelassenen Medikamenten, sondern auf vielfältige Weise auch bereits von klinischer Forschung. Ganz zu schweigen von der Wirkung der Forschungsaktivitäten auf den Medizinstandort und die hier tätigen Ärzt:innen.“
„Deshalb ist die konsequente Ausgestaltung einer österreichischen Life-Science- und Pharma-Strategie dringend nötig – mit effektiven Maßnahmen in den Bereichen „Nachhaltige Medikamentenversorgung“, „Forschungsförderung“, „Standort Österreich“, „Digitalisierung“ und „Vorsorgeprogramme“, unterstreicht FOPI-Präsident Moll.
Noch ist der Output der medizinisch-pharmazeutischen Forschung aber beachtlich, wie die Innovationsbilanz von AGES und FOPI zeigt.
Die 38 im Jahr 2024 zugelassenen Therapien wurden für verschiedenste Indikationen entwickelt und begegnen dem dringenden Bedarf in unterschiedlichsten Krankheitsfeldern. Knapp ein Drittel entfällt auf die Onkologie, 13 Prozent sind Immunmodulierende Therapeutika, die gezielt das Immunsystem dämpfen, um etwa Autoimmunerkrankungen zu behandeln. 5 Prozent sind neue Impfstoffe, und den großen restlichen Anteil stellen Arzneimittel für vielfältige Therapiegebiete wie Diabetes, Hämophilie, Colitis ulcerosa oder Myasthenia gravis.
Als herausragende Beispiele nennt AGES Medizinmarktaufsicht-Geschäftsfeldleiter Waxenecker:
Beispiele für kontinuierliche Fortschritte für mehr Anwendungsfreundlichkeit von Medikamenten und damit bessere Therapieerfolge sind:
Aus ärztlicher Sicht unterstreicht Univ.-Prof. Dr. Heinz Burgmann, Infektiologe und Leiter der Univ. Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum AKH Wien, die Bedeutung innovativer Arzneimittel am Beispiel von Antibiotika: „Antibiotikaresistenzen zählen zu den zehn größten Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit. Die Fachwelt spricht sogar von einer ‚stillen Pandemie‘. Es wird geschätzt, dass jährlich in Europa etwa 35.800 Menschen und weltweit rund 1,27 Millionen Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien versterben. Diese Zahl wird 2050 auf 10 Millionen weltweit ansteigen. Neben dem verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika besteht daher ein dringender Bedarf an neuen wirksamen Antibiotika.“
Ähnlich bedeutsam ist die neue Brustkrebs-Therapie aus Sicht von Mona Elzayat, MSc, Obfrau des
PatientInnenportals für onkologische PatientInnen und chronisch Kranke. „Innovative Therapien eröffnen Patientinnen und Patienten neue Wege zu Heilung, Hoffnung und Lebensqualität – sie sind der Schlüssel zu einer Medizin, die Zukunft gestaltet."
Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) genießt auf europäischer Ebene hohe Reputation: So war die AGES Medizinmarktaufsicht 2024 im zentralen Zulassungsverfahren 19-mal als Rapporteur, viermal als Co-Rapporteur und fünfmal in multinationalen Gutachter-Teams beteiligt. Das ist die bislang höchste Beteiligung an europäischen Zulassungsverfahren überhaupt. „Österreich rangiert damit im europäischen Spitzenfeld – und das nicht nur bei den Zulassungsverfahren, sondern auch bei der wissenschaftlichen Beratung“, sagt Waxenecker. Denn auch im so genannten Scientific Advice-Verfahren der EMA wird die Expertise der heimischen Behörde geschätzt. Immerhin 182 dieser wissenschaftlichen Beratungsverfahren wurden im Jahr 2024 von Österreich koordiniert, womit die AGES im EU-Ranking auf dem zweiten Platz rangiert.
Quelle: OTS